Wo immer man ihnen begegnet, historische an Schlössern, Stadttoren, Türmen und insbesondere an Kirchen, neuere auch an anderen Gebäuden: es geht eine seltsam faszinierende Wirkung von ihnen aus.

Geheimnisvoll sehen sie aus, mitunter auch unscheinbar, immer aber ein wenig fremd, meist jedoch schön:

Sonnenuhren

Häufig kaum wahrgenommen, zuweilen aber auch bewundert, nicht selten kunstvolle Gebilde, manchmal nur noch Schmuck, vielfach nicht mehr verstanden, deshalb auch rätselhaft.

Eine Sonnenuhr ist ein "schönwetterbedingter", in der Regel ortsfester Zeitmesser, auf dem mit dem Schatten eines von der Sonne beschienenen Schattenwerfers die Zeit abgelesen werden kann. Sie ist das Produkt einer jahrtausendalten Entwicklung über immer neues Beobachten, Experimentieren, Berechnen und die Erkenntnisse daraus.

Während Sonnenuhren heute vornehmlich Schmuck und Dekoration von Gebäuden darstellen, waren sie früher wichtige Zeitanzeigen. Sie sind daher auch ein eindrucksvolles und bedeutendes Stück Technikgeschichte, demonstrieren sie doch den Erfindergeist und die Klugheit vergangener Generationen. Als Bestandteil des geschichtlichen Erbes geben sie Einblick in die Lebensabläufe früherer Generationen und einstiger Kulturepochen.


Oberhunden

Historische Sonnenuhren sind Spuren der Vergangenheit, sie zeigen in vielen Fällen mit ihren teilweise noch originalen Werkspuren die handwerklich-technischen Fertigkeiten und die z. T. hohen künstlerischen Fähigkeiten der Erbauer sowie insbesondere deren mathematisches und astronomisches Können.

Die gelegentlich zu vernehmende Behauptung, Sonnenuhren gingen falsch, ist so nicht zutreffend. Sie gehen anders, und dies ist in der historischen Entwicklung der Zeitmessung begründet.

Sonnenuhren gab es bereits in Ägypten und Griechenland ab etwa 1500 v. Chr. Dabei diente in der Regel ein Obelisk o. ä. als Schattenwerfer. Es folgten die verschiedensten Formen wie die Hohlkugelsonnenuhren in der Antike, danach vom 7. Jh. bis ins späte Mittelalter die vertikalen, meist halbkreisförmigen und in mehrere Sektoren eingeteilten Sonnenuhren mit dem im Kreismittelpunkt waagerecht vor der Uhrenfläche stehenden Stab an den Mauern von Kirchen und Klöstern. Durch den Schattenschlag auf der Skala war eine Tageseinteilung möglich, das Prinzip aller Sonnenuhren.

Gelnhausen

 

Aus dem Orient kam zu Beginn des 15. Jh. der erdachsparallele Schattenstab (Polstab), der im 18. Jh. die Sonnenuhr in Europa zu einer außergewöhnlichen Vollkommenheit gebracht hat, war es doch damit möglich, neben den genauen Stunden auch noch andere Daten von einer Sonnenuhr abzulesen. In der Barockzeit kamen künstlerische Formen zur Ausführung, die eine Sonnenuhr mehr und mehr auch zu einem Kunst- und Schmuckstück werden ließen, wo neben den Stunden vielfach auch das Sternzeichen, die Tagesdauer, den Sonnenauf- und Untergang und manches andere angezeigt werden konnte.

Klagenfurt

 

Auch als im späten Mittelalter die Räderuhren erfunden wurden, erfüllte die Sonnenuhr noch einen wichtigen Zweck: Sie war unentbehrlich zur Überprüfung der Genauigkeit. Erst mit zunehmender Präzision der mechanischen Uhren hatte sie ihre eigentliche Funktion eingebüßt, erst recht nach Einführung der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ), da ohne die genaue Kenntnis der Systematik des Ablesens und der Umrechnung das Erkennen einer "gültigen" Uhrzeit jetzt nicht mehr ohne weiteres möglich war. Die "richtige" Zeitablesung von einer Sonnenuhr erforderte neben der visuellen Wahrnehmung auch geistige Arbeit und die Kenntnisse des Standortes und den tagesaktuellen Wert der sog. Zeitgleichung.

 

 

 

 

Straßburg

 

 


Die alten Sonnenuhren waren nach dem Zeitsystem der Ortszeit konstruiert, was bedeutet, dass um 12:00 Uhr die Sonne am jeweiligen Standort genau im Süden steht. Daher hatten Orte, die auf unterschiedlichen Längengraden liegen, auch unterschiedliche Zeiten.


Diese (südlichen) Ortszeit-Sonnenuhren sind u. a. daran zu erkennen, dass die Zwölf-Uhr-Mittagslinie (Meridianlinie) senkrecht unter dem Fußpunkt des Schattenstabes steht. Solche Sonnenuhren zeigen den augenblicklichen sowie den zurück- und vorausliegenden Sonnenstand an.

 

 

Lazise

 

Es gibt sie nicht, die Sonnenuhr, vielmehr existieren Sonnenuhren in einer Vielzahl unterschiedlichster Ausführungen, wo z. B. Gebetszeiten, die "temporalen" Stunden, die Zeitstunden, die Wahre Ortszeit (WOZ), die Mitteleuropäische Zeit (MEZ), die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ), das Datum, die Tierkreise, die Sonnenwenden, die Tagundnachtgleichen und, je nach Konstruktion, der jahreszeitbedingte Zeitausgleich, der Zeitpunkt von Sonnenauf- und Untergang, die Stunden bis zum Sonnenauf- und Untergang, die Tag- und Nachlängen und noch so manches andere abgelesen werden kann.

Auch die Möglichkeiten der Ausführung sind vielfältig, z. B.:

äquatoriale Sonnenuhren mit äquatorparallelem Zifferblatt,
horizontale Sonnenuhren auf einem Podest oder auf dem Boden,
vertikale Sonnenuhren auf senkrechten Flächen wie Wände o. ä.,
Ecksonnenuhren mit zwei z. B. an einer Mauerecke angeordneten Zifferblättern,
Vielflächner als Kugel, Würfel oder andere Körper mit Zifferblättern an den verschiedenen Flächen sowie
Ringsonnenuhren, Zylindersonnenuhren, Hohlkugelsonnenuhren usw.

Die Ausführung des Schattenwerfers kann ebenfalls vielgestaltig sein, als Stab, als Kante, als Lichtpunkt einer Lochscheibe usw. Neben dem senkrechten Schattenstab auf waagerechten Flächen, der als Gnomon bezeichnet wird, und dem horizontalen Schattenstab an senkrechten Flächen ist es vor allem der parallel zur Erdachse ausgerichtete "Polstab" südlicher Sonnenuhren, der durch seinen Schattenschlag die Zeit und oftmals noch vieles andere mehr auf der Uhrenfläche anzeigt.

Zur Einrichtung oder zur Reparatur einer Sonnenuhr und damit zur Anordnung oder zur Kontrolle der unterschiedlichen Abstände der Stunden-, Datums- und sonstigen Linien sind mehr oder weniger komplizierte zeichnerische Ausarbeitungen oder mathematische Berechnungen erforderlich (was jedoch auch durch das Festhalten der tatsächlichen Schattenwürfe zu bewerkstelligen ist).

Nur auf einer genau nach Süden gerichteten Wand zeigt eine Sonnenuhr z. B. die 12 Sonnenstunden eines Tages zur Zeit der Tagundnachtgleiche. Auf östlich gerichteten Wänden zeigt eine Sonnenuhr mehr Vormittagstunden, auf westlich gerichteten Wänden mehr Nachmittagstunden an. Diese nach Südosten gerichtete Sonnenuhr enthält deshalb mehr Vormittags- als Nachmittagstunden.
 

 


Viele Sonnenuhrzifferblätter enthalten unter dem Stabeinsatzpunkt eine senkrechte Mittagslinie. Sie wird bestimmt durch den Mittagschatten: Es ist örtlicher Wahrer Mittag, wenn die Sonne ihren Höchststand überschreitet, d.h., wenn sie genau im Süden steht. Es ist 12:00 Uhr Wahre Ortszeit (WOZ), wenn der Schatten des Schattenstabes die senkrechte Mittagslinie überdeckt.

Seit 1893 gilt in Deutschland als konventionelle Normalzeit die Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Das ist die Mittlere Ortszeit (MOZ) auf dem 15. östlichen Längengrad. Wenn dort die Sonne am höchsten und damit der Zeigerschatten genau senkrecht steht, ist es 12:00 Uhr Mitteleuropäische Zeit (MEZ).

 

 

 

Gargnano

 

 


Die Ortszeit in der Mitte Deutschlands, z. B. am 15. Längengrad Ost, geht gegenüber der Mitteleuropäischen Zeit ca. 24 Minuten nach. Deshalb ist zum Ausgleich an die Normalzeit das Zifferblatt einer sog. Zonenzeit-Sonnenuhr gegenüber der Wahren Ortszeit um die entsprechende Zeit nach links (in den Vormittag) verschoben.

 

 

Ulm



Da die Erde die Sonne auf einer elliptischen Bahn und mit geringfügig veränderter Geschwindigkeit umkreist, stimmen Sonnenzeit und Normalzeit im Jahresverlauf nur 4x überein: am 15./16. April, 15./16. Juni, 30./31. August und 1. September sowie am 25./26. Dezember. Im Frühling und im Sommer betragen die Unterschiede zur Normalzeit von –4 Minuten im Mai bis +6 Minuten im Juli/August, im Herbst und Winter von –16 Minuten im Oktober/November bis +15 Minuten im Februar. Beim Ablesen des Schattenschlages auf den Stundenlinien sind diese Unterschiede von der angezeigten Zeit je nach Vorzeichen abzuziehen bzw. hinzuzurechnen. Erst damit ergibt sich bei der Ablesung der Sonnenuhr die Mitteleuropäische Zeit/Mitteleuropäische Sommerzeit.

Zeitausgleich in Minuten:
Die Plus-Werte sind der abgelesenen Zeit auf der Sonnenuhr hinzuzurechnen,
die Minus-Werte von der abgelesenen Zeit abzuziehen:

Am:

Jan

Feb

Mar

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

01.

+ 3

+ 14

+ 13

+ 4

- 3

- 2

+ 4

+ 6

0

- 10

- 16

- 11

10.

+ 7

+ 14

+ 11

+ 2

- 4

- 1

+ 5

+ 5

- 3

- 13

- 16

- 8

20.

+ 11

+ 14

+ 8

- 1

- 4

+ 1

+ 6

+ 4

- 6

- 15

- 15

- 3

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