Die italische und babylonische Stundenzählung
Neben der Anzeige der Uhrzeit waren früher noch andere Zählungen üblich. Historisch überkommen, aber nur noch sehr selten auf älteren vertikalen Sonnenuhren vorhanden (neuerdings jedoch auch wieder auf schmückenden, modernen Sonnenuhren), sind die Linien der italischen oder der babylonischen Stundenzählung, manchmal auch beide Linienarten gemeinsam.
Die
babylonische Stundenzählung,
früher gelegentlich auch als griechische Stundenzählung bezeichnet (auf dem
Sonnenuhrzifferblatt verlaufen die Stundenlinien von rechts oben nach links
fallend ///), erfolgt ab Sonnenaufgang. Die Ablesung der Stunden erfolgt mittels
Punktzeiger, Lochscheibe oder der Schattenspitze des Schattenstabes.
Bild: Vertikale, nach Südwesten gerichtete WOZ-Sonnenuhr in Eben (Österreich) mit Tierkreisdatumslinien, Länge der Tagesstunden im Mittelband und den schräg von oben rechts nach links fallenden Linien der babylonischen Stundenzählung.
Die
italische Stundenzählung,
gelegentlich auch noch als welsche Stundenzählung bezeichnet (auf dem
Sonnenuhrzifferblatt verlaufen die Stundenlinien von links oben nach rechts
fallend \\\), wird noch unterschieden in "antike" italische Stunden, wobei die
Stundenzählung nach dem Sonnenuntergang des vorausgegangen Tages anfängt, und,
selten noch, in "zivile" italische Stunden, wobei die Zählung eine halbe Stunde
nach dem vorausgegangenen Sonnenuntergang beginnt.
Bild: Vertikale, nach Süden gerichtete WOZ-Sonnenuhr in Klagenfurt (Österreich) mit Tierkreisdatumslinien und den schräg von oben links nach rechts fallenden Linien der antiken italischen Stundenzählung.
Auf einem Zifferblatt mit Stundenlinien der Wahren Ortszeit und Datumslinien zeigt z. B. der Kreuzungspunkt der Mittagslinie mit der Datumslinie der Tagundnachtgleichen die 6. Stundenlinie der babylonischen Stundenzählung bzw. die 18. Stundenlinie der antiken italischen Stundenzählung. Solche Zählungen haben heute zum Zweck der Zeitmessung ihren Sinn verloren. Jedoch können damit einige interessante Informationen abgelesen werden, so z. B. die Anzahl der seit Sonnenaufgang vergangenen und bis zum Sonnenuntergang noch verbleibenden Stunden sowie durch Addition dieser beiden Werte die Länge des "lichten Tages".
Bild: Vertikale, nach Südosten gerichtete Sonnenuhr in Luzern (Schweiz) mit Tierkreisdatumslinien, Datumslinien der Tage mit vollen Stunden, Linien der babyl. Stunden von rechts nach links fallend und Linien der ital. Stunden von links nach rechts fallend.
Die
Datumslinie der Tagundnachtgleichen (Äquinoktiallinie) ist für die Geometrie
einer Sonnenuhr mit babylonischen/italischen Stundenlinien außerordentlich
wichtig, auf sie müssen bestimmte Kreuzungspunkte von
Wahre-Ortszeit-Stundenlinien und von babylonischen/antiken italischen
Stundenlinien fallen. Sie ist damit auch "Kontrolllinie" für die Genauigkeit,
mit der ein Zifferblatt konstruiert und übertragen wurde.
Bild:
Vertikale, nach Südwesten gerichtete WOZ-Sonnenuhr in Ardagger (Österreich) mit
Tierkreisdatumslinien und Linien der ital./babyl. Stundenzählung und Angaben
über die Länge des Tages, Länge der Nacht, Zeitpunkt des Sonnenaufgangs und des
Sonnenunterganges.
Die Linien der babylonischen Stunden und der antiken italischen Stunden auf einem südlichen Sonnenuhrzifferblatt:
Der Beginn der Zählung erfolgt auf der linken (Vormittags-) Seite des Sonnenuhrzifferblattes. Der Schattenpunkt eines Schattenstabes mit Punktanzeige, der Lichtpunkt einer Lochscheibe oder die Spitze des Schattenstabes, der eine Linie der babylonischen oder italischen Stunde trifft, zeigt die nach Tagesanbruch (babylonisch) oder nach vorausgegangenem Sonnenuntergang (antik italisch) vergangenen Stunden.
Die Linien der babylonischen Stundenzählung verlaufen etwa diagonal auf dem Sonnenuhrzifferblatt von oben rechts nach unten links (///). Die Zählung der Stunden erfolgt ab Sonnenaufgang.
Die Linien der antiken italischen Stundenzählung verlaufen ebenfalls diagonal auf dem Sonnenuhrzifferblatt, allerdings von oben links nach unten rechts (\\\). Die Zählung erfolgt ab dem vorausgegangenen Sonnenuntergang.
Skizze: Südliches Sonnenuhrzifferblatt
Die Linien der babylonischen und italischen Stundenzählung geben einer Sonnenuhr, da ungewohnt und heute auch weitgehend unbekannt, einen besonders faszinierenden und zugleich geheimnisvollen Reiz. Sie geben Auskunft über die vergangenen und noch folgenden Tagesstunden.
Skizze: Westliches Sonnenuhrzifferblatt
Sie befinden sich, manchmal alleine, im Allgemeinen jedoch zusammen mit den fächerförmigen "normalen" Stundenlinien sowie einer, drei oder mehr Datumslinien, meist Tierkreisdatumslinien, auf südlichen Sonnenuhrzifferblättern.
Skizze: Östliches Sonnenuhrzifferblatt